„Langlebigkeits-Risiko“ und Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Von Alexander Heumann[1] 

A. „Langlebigkeits-Risiko“

2018 verkündete die damalige IWF-Chefin und jetzige EZB-Vorsitzende, Christine Lagarde: „Alte Menschen leben zu lange und es ist ein Risiko für die Weltwirtschaft; etwas muss getan werden.“[2]

Ökonomen und Versicherungsmathematiker sprechen vom „Langlebigkeitsrisiko.“ Es bestehe weniger für den Langlebigen selbst, als für dessen Umwelt und die Gesellschaft im Ganzen. Das Wort war 2005 in der engeren Auswahl für das „Unwort“ des Jahres. The European klärt auf: „Gemeint sind die Kosten, die dadurch entstehen, dass einerseits die Menschen immer länger leben, und andererseits die Geburten zurückgehen.“ [Auch in der ´dritten Welt´ steigt die Lebenserwartung. Nur sinken dort – anders in Industrienationen – nicht gleichzeitig die Geburtenraten.]
So befürchtete der spanische Ökonom und Investmentbanker José Viñals auf einer Pressekonferenz, dass „die Lebenserwartung bis 2050 um drei Jahre über das vorgesehene Maß hinaus“ ansteige. Die Kosten des Alterns würden dann in fortgeschrittenen Volkswirtschaften um 50% anwachsen. „Wir müssen uns jetzt um die Risiken der Langlebigkeit sorgen, damit uns die Kosten in Zukunft nicht ersticken.“[3]

„Die nutzlose Klasse“.

Obendrein analysierte Yuval Noah Harari, der Vordenker des Weltwirtschaftsforums (WEF), neulich in Davos: „Nach tausenden von Jahren, in denen der homo sapiens die Welt beherrschte, verlagert sich Autorität und Macht nun vom Menschen zu Computern und Maschinen. Die meisten Menschen werden wirtschaftlich nutzlos. Und politisch machtlos. Die Revolution der künstlichen Intelligenz beginnt nun, eine nutzlose Klasse von Menschen zu produzieren. Wir sehen eine neue Klasse von Menschen entstehen: Die nutzlose Klasse.“
https://twitter.com/nf_freiheit/status/1528983520219103232?s=20&t=B8Juo9ZGJTsddKbhQpiP4g

Als Gegenmaßnahmen, damit uns „die Kosten in Zukunft nicht ersticken“, sind – neben globalem digitalem Zentralbankgeld  auf Knopfdruck für ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ und kostensparenden Digital-Technologien im Gesundheitswesen (eHealth) – im Gespräch: Beitragserhöhungen, spätere oder reduzierte Altersrenten, private Vorsorge auf Kapitalbasis. Oder die „umgekehrte Hypothek“: Im Todeszeitpunkt geht das Haus auf die Bank über, um bis dahin ein Einkommen zu sichern. Tote brauchen nichts mehr.

B.
Ein Urteil aus Karlsruhe

Als „Lösung“ ganz anderer Art erscheint die kommerzielle Förderung des Selbstmords am Horizont. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das bisherige Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ gegen das Grundgesetz verstößt und erklärte es für nichtig.[4] „Weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung“, und damit die Selbstbestimmung am Lebensende „faktisch entleert.“[5]
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