Maximilian Krah sieht „die Epoche der Nationalstaatlichkeit vorüber“[1] und Deutschlands Zukunft unvermeidlich als „multiethnisches Land“. Martin Sellners „Remigrations“-Konzept lehnt er ab, weil es eine „Ungleichbehandlung der Staatsbürger nach ethnischen Kriterien“ bedeute (15.06.2025, X) und die Gefahr eines AfD-Verbots heraufbeschwöre.[2] Sellner kontert: Krah würde „anscheinend einen Vielvölkerstaat“ vertreten, „ohne erst zu versuchen, um ein deutsches Deutschland zu kämpfen.“ (17.06.2025, X).
Vorbemerkung: Ist der Kampf um die Bewahrung eines „deutschen“ Deutschlands – oder eines „europäischen“ Europa – per se verfassungswidrig ?
- Nicht, soweit er sich beschränkt auf eine „restriktive Migrations- und Einbürgerungspolitik“. Verlautbarungen der AfD, daß „eine übermäßige Migration die eigene Identität bedrohe“, seien für sich genommen verfassungsrechtlich unbedenklich, stellte das OVG Münster fest.[3] Ex-Kanzler Olaf Scholz forderte im Spiegel sogar „Abschiebungen im großen Stil“, und schon Angela Merkel eine „nationale Kraftanstrengung“, ohne daß dies vom Verfassungsschutz als verfängliche Bestrebungen markiert worden wäre. Und das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Compact-Magazin stellt immerhin fest, daß „eine Vielzahl der (…) migrationsfeindlichen Äußerungen sich (…) auch als überspitzte, aber letztlich (…) zulässige Kritik an der Migrationspolitik deuten“ läßt.[4]
- Doch die Dinge sind noch in Bewegung. Progressiverer Auffassung ist die mittlerweile (wohl) herrschende Meinung in der Fachliteratur. Vorreiter ist der renommierte liberale Staatsrechtslehrer Christoph Möllers, der 2017 den Bundesrat im NPD-Verfahren anwaltlich vertreten hat. Er propagiert, daß das Grundgesetz aus menschen- und demokratierechtlichen Gründen jeden „ethnischen“ Volksbegriff „verfassungsrechtlich mißbillige“.[5] Diese Dogmatik lehnt sich einen „Verfassungspatriotismus“ nach US-Vorbild an und bricht mit der traditionellen deutschen Staatslehre. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinen Urteilen zu den EU-Verträgen noch die Bewahrung relativer „kultureller Homogenität“ (aus demokratietheoretischen Gründen) verlangt. Möllers Position läuft hingegen historischer und bisher gängiger Auslegung des Grundgesetzes zuwider:[6] Ohne „ethnischen Volksbegriff“ wäre es nicht jahrzehntelang verfassungsrechtliche Verpflichtung der Staatsorgane gewesen, auf die deutsche Wiedervereinigung hinzuwirken.[7] Während der deutschen Teilung nach 1945 gab es zwei deutsche „Staatsvölker“ (BRD und DDR), aber nur ein deutsches Volk „im ethnischen Sinne“. Dieses hat nach der ursprünglichen Grundgesetz-Präambel nicht nur seine „staatliche“, sondern seine „nationale Einheit“ zu „bewahren“. Warum sollte man die Verfassung jetzt – nach vollzogener Wiedervereinigung – plötzlich gegenteilig interpretieren ? Müßte derart Grundstürzendes nicht sogar gemäß Art. 146 GG „vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen“ werden ?[8]
Zudem: Sowohl dem völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrecht gemäß der Internationalen Menschenrechtskonvention („Zivilpakt“), als auch dem Kardinal-Straftatbestand des Völkermordes liegt ein – auch – „ethnischer“ Volksbegriff zugrunde. (Sonst hätte man z.B. vor der Staatsgründung Israels den Tatbestand eines Völkermordes an den Juden nicht bejahen können).
Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß auch Karlsruhe der neuen Dogmatik folgt. Denn im „Jahresbericht 2024“ des Bundesverfassungsgerichts über sein Urteil zum Finanzierungsausschluss der NPD[9] heißt es: Die Partei „missachtet den Grundsatz der Menschenwürde, indem sie [sic !] am ethnischen Volksbegriff und der Vorstellung von der deutschen ´Volksgemeinschaft´ als Abstammungsgemeinschaft festhält.“[10]
Krahs Position
Streit um das „Volk“ und den Islam – ist die Zeitenwende unvermeidlich ? weiterlesen