„Unterwerfung“

– zugleich Rezension zu Michel Houellebecqs gleichnamigem Roman.
Ein Beitrag von Alexander Heumann.
http://www.metropolico.org/2015/09/13/unterwerfung/

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In Frankreich übernimmt eine islamische Partei auf demokratischem Wege die Macht. Der Literatur-Professor Francois macht sich mit der Religion der neuen Herren vertraut, die ihm schließlich als Lösung seiner Sinnkrise erscheint. Soweit die Handlung des Romans, der vielfältigen Sprengstoff enthält.

Im allgemeinen Flüchtlingstaumel geht zur Zeit unter, dass circa 70 – 80 Prozent der derzeit unkontrolliert und unregistriert nach Deutschland einströmenden Menschen junge muslimische Männer sind. Die damit heraufbeschworenen Gefahren werden auch nicht durch berechtigte Hinweise kleiner, dass die USA das Chaos anrichteten, mit dem Europa nun in Form der größten Völkerwanderung aller Zeiten konfrontiert ist.

Ein Angebot, dass man nicht abschlagen kann

Houellebecqs Protagonist Francois ist entschiedener Single mit der üblichen Bindungsscheu des Roman- oder Filmhelden. Wie sein Vorbild und Forschungsobjekt, der dekadente französische Kult-Schriftsteller Joris-Karl Huysmans († 1907), der allerdings im Alter zum Katholizismus fand („mein Herz ist durch das lockere Leben verhärtet und vertrocknet, ich bin zu nichts nütze“), sieht er sich in erster Linie ästhetischen Maximen verpflichtet. Den Individualisten plagen aber Sehnsucht nach Gemeinschaft und die Angst vor dem bedrohlich näherrückenden Alter, wenn wechselnde Liebschaften als Daseinssinn nicht mehr taugen und der Bourgeois immerhin liebevoll bekocht und umsorgt wird. Kann man(n) bei so vorausschauendem Kalkül das Angebot zu Vielehe und aus Saudi-Arabien gesponserter Gehaltserhöhung ausschlagen? Was sagen denn die Zeichen der Zeit?

Schöne alte Welt

Im Hause des neuen Universitätsrektors öffnet ihm die erst 15-jährige, jüngste dessen vier Ehefrauen. Dort wird ihm die schöne neue Welt nähergebracht: Endlich wieder Patriarchat und Frischfleisch ohne Widerworte – statt Feminismus und Gender Mainstreaming! Frauen zurück an den Herd, das bereinigt die Arbeitslosenquote; und falls vorher zur Universität, dann bitte vollverschleiert. Wenn der Pascha wieder alleinzuständig für die Familie ist, kann der Staat sogar Sozialausgaben zurückzuschrauben. Und dank salafistischer Scharia-Polizei sind „Banditen und Dealer aus der unmittelbaren Umgebung der Universität verschwunden“.

Verrat der Hofnarren

Das Ganze wird in einem literaturwissenschaftlichen Glasperlenspiel eingewickelt und wenn das für Nichtromanisten zu dröge wird, sollen Softporno-Stellen den Leser bei der Stange halten. Was als „Demaskierung unserer hedonistischen Moderne“ (Matthias Matussek) gedacht sein mag, ist im Zeitalter von „Promi Big Brother“ und frühsexualisierenden ´Bildungsplänen´ allerdings kaum von deren empathischer Affirmation zu unterscheiden.

Houellebecq als advocatus diaboli hält dem aussterbenden Abendland den Islam als Spiegel vor, ermöglicht aber auch die Identifikation mit einem nonchalanten Ich-Erzähler, den er als Opfer ihn verlassender Studentinnen vorstellt, und der der islamischen Machtergreifung merkwürdig indifferent gegenüber steht. Letztlich sind es ´liberal-konservative´ Hofnarren wie er, die gemeinsam mit Sozialisten als heuchlerische „republikanische Front“ den islamischen Politiker Ben Abbès inthronisieren, um die republikanische Le Pen zu verhindern.

„Friede sei mit Euch“

Rezensenten, denen belesene Schwammigkeit auch in der Literatur zum Maßstab wurde, feiern Houellebecqs Werk wiederum als „Roman gegen Vereinfachung“. Aber gerade die naive Parteinahme für den Islam als Antagonisten der Moderne ist nervtötend. Der literaturwissenschaftliche Fachidiot hat „in Geschichte nicht aufgepasst“ und sich auch „für Politik nie sonderlich interessiert“. Einem Islam aus dem Poesiealbum nimmt er für bare Münze: Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung werden ausgeblendet.

Seit 1400 Jahren werden ´Ungläubige´ vom Islam bekämpft und zwangsislamisiert, in Koran und Hadithen wird Muslimen vorgeschrieben, sie „zu töten, wo immer man ihrer habhaft wird.“ Bei Houellebecq findet man nicht den kleinsten Hinweis darauf; stattdessen fügt er dem Bild von ´Frieden und Barmherzigkeit´ noch ein paar Farbtupfer hinzu. Wenn Rezensenten raunen, er hätte sich „wohl intensiv mit dem Islam beschäftigt“, zeigt sich, wie allzu feinsinniger Zynismus nach hinten losgehen kann.

Der EU-Beitritt Marokkos und der Türkei könnte doch zum „Wiederaufbau des römischen Reiches“ führen, das einst den Mittelmeerraum vereinte, oder? Warum feiern Okzident und Orient nicht dessen Renaissance als Gegengewicht zum US-imperialen Machtmissbrauch? Non! Hierfür wäre eine Achse mit Russland geeigneter! Das römische Reich ging nicht zuletzt aufgrund nicht mehr verkraftbarer Massenimmigration von ´Barbaren´ unter. Außerdem gab es seinerzeit den Islam noch nicht. Das sich aus der Antike erhebende große Multi-Kulti unterschiedlichster Kulturen und Rassen fand im Christentum ihren gemeinsamen Nenner, das seinen globalen Siegeszug im Vergleich zum Islam weitgehend (s. allerdings die kriegerische Unterwerfung der Sachsen) ohne Feuer und Schwert  errang.

Es gibt keinen Zwang im Glauben“

Unwissende erstaunt zumeist, dass der Islam in den heute von ihm dominierten Staaten keineswegs ´immer schon da´ war und christliche Kreuzzüge in Notwehr erfolgten: ´Dhimmitum´ und Ungläubigensteuer (Dschizya) machten alteingesessene Christen und Juden zu tief gedemütigten, finanziell ausgebluteten und ständig bedrohten ´Menschen zweiter Klasse´, deren einst solidarische Gemeinschaften durch sanften Völkermord erodierten, vor dem es nur den Ausweg des ´freiwilligen´ Übertritts zum Islam gab. Wie heisst es euphemistisch im Koran: „Es gibt keinen Zwang im Glauben“ … Heute wird das als ´Privileg´ gegenüber Polytheisten/Animisten (die sofort abgeschlachtet wurden) und ´islamische Toleranz´ verkauft. Wer meint, der ´Dschihad´ sei nur noch von historischem oder theologischem Interesse, möge die orientalischen orthodoxen Christen, wie zum Beispiel die Kopten befragen – solange es sie noch gibt.

Märchen aus 1001 Nacht

Die ´islamische Hochkultur´ war nur Restbestand überlegener griechisch-römischer bzw. altpersischer Kultur der unterworfenen Völker, die die kriegerischen Wüsten-Nomaden bereits vorfanden, mit Hilfe von Sklaven und gebildeter Dhimmis noch eine zeitlang aufrechterhalten konnten, aber letztlich zugrunde richteten; übernehmen durften sie sie nicht, denn das lässt der Koran nicht zu. Was der tiefere Grund für Erdogans Diktum ist, wonach „Assimilation ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ist; der Mann weiß: Nur massenhafte Assimilation könnte eine friedliche Islamisierung Europas noch ohne drastische politische Maßnahmen aufhalten.

´Ende vom Latein´?

Der ´EURO-Islam´ als Rettung der Moderne? Widerspruch ist herausgefordert, vor allem von kirchlicher Seite, der aber ausbleibt. „Das Christentum steckt nicht mehr in den Köpfen und in den Seelen der meisten Menschen, aber so, wie eine Maschine mit den Worten Max Webers nicht nur Mechanik, sondern geronnener Geist ist, steckt das Christentum in unserer Kultur, und die ist wahrscheinlich besser als jede andere. (…) Es ist geistiger Selbstmord, eine solche Tradition aufzugeben.“ (Norbert Bolz). Aber selbst ein solch gemäßigtes Credo sucht man in „Unterwerfung“ vergeblich. Houellebecq zeigt zwar rationale Zugänge zur Religion auf, macht aber selbst ausgefeilte Kritik an Urknall- und Evolutionstheorie zu islamischer Propaganda. Auf allen Daseinsebenen – vom Atom über Fauna, Flora und Mensch bis zum Lauf der Planeten und der Schwingung des Klangs – begegnet moderne Naturwissenschaft den immer gleichen Proportionen und Logarithmen, was einen göttlichen Bauplan des Universums nahelegt: Die Kreiszahl Pi, die Zahl ´Phi´, bekannt als Da Vincis ´goldener Schnitt´ etc.: Alles folgt einer harmonischen Ordnung, wie bereits die Mystiker des Altertums wussten: ´Wie oben – so unten´. Speziell mit dem Islam hat das aber nichts zu tun.

Die Aufklärung und die großen Fragen

2013 sah ich ein Interview mit einem grünen Kommunalpolitiker türkischer Herkunft, der für Kannibalismus plädierte: Wenn wir unsere Toten äßen, statt sie zu vergraben, würden wir den Hunger in der Welt besiegen und Grundwasserverunreinigungen durch Friedhöfe vermeiden. Das treibt den pragmatischen Utilitarismus auf die Spitze, die es für vertretbar hält, behinderte Kinder im ersten Lebensjahr zu töten und alten Menschen medizinische Hilfe zu verweigern, wenn eine Kosten-Nutzen-Analyse dagegen spricht. All´ dem hat eine gottverlassene ´aufklärerische´ Vernunft wenig entgegen zu setzen.

Zwar hat Kant dem säkularen Humanismus mit dem ´kategorischen Imperativ´ eine Begründung für moralisches Handeln geliefert; dieser setzt aber Konsens darüber voraus, was gut oder böse, wahr oder falsch, recht oder unrecht ist; Parallelgesellschaften mit unterschiedlichen Wertsystemen haben die Vordenker der Aufklärung nicht einkalkuliert. Die Idee der universellen Menschenrechte darf daher nicht zur ideologischen Waffe gegen jede ´Leitkultur´ werden, um einigermaßen homogene Völker und Staaten durcheinanderzuwirbeln. Überhaupt: Ein regressives ´Freiheits´-Verständnis, das individuelle Rechte gegenüber dem Staat absolut setzt, stellt Kants Pflichtenethik auf den Kopf und lässt die liberale Gesellschaft spätestens mit ihrer grenzenlosen Überdehnung implodieren: ´No border – no nations´ führt zurück zum Naturzustand von Anarchie und Faustrecht, in dem es weder Lebens-, noch Eigentumsrechte, also auch keine Freiheit gibt – für niemanden.

Glaube und Institution

Erfolgreicher Terminator jeden Glaubens ist der ´kritische Rationalismus´, der als emanzipatorische Herrschaftskritik von Anfang an im Engagement gegen alles Hergebrachte stand, aber bald selbst zum nicht hinterfragbaren Dogma wurde: Muß alles, was nicht ´falsifizierbar´ ist, deshalb auch irrational und nutzlos sein? Deshalb prangerte Papst Benedikt in einer großartigen Rede vor dem deutschen Bundestag die positivistische „Verengung des Vernunftsbegriffs“ an, die nach ´68 von den Naturwissenschaften auf Geisteswissenschaften und Politik übergriff. Zumal: „Auch wenn Gott tot ist, bleibt die Sinnfrage lebendig“ (Manfred Kleine-Hartlage).

Die Kirche als menschlicher, also fehlbarer Institution christlichen Glaubens musste ihre mittelalterlichen Verirrungen (Inquisition, Hexenverbrennung, Ablaßhandel) im Zuge der Aufklärung in blutigen Auseinandersetzungen korrigieren – aber wo sie sich heute in Tagespolitik einmischt, richtet sie neues Unheil an: Die ´andere Backe auch noch hinzuhalten´, wäre als Rechtsgrundsatz der Ruin jeden Staates – nur um zu verdeutlichen, dass die Sinnebenen auseinanderzuhalten sind. Wer aus ´liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst´ pauschale ´Fernstenliebe´ konstruiert und unter Hinweis auf das Gleichnis vom guten Samariter undifferenziert in jedem Asylbewerber „Christus aufnehmen“ will, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Mit dieser neuen Form des Ablasshandels – passgenau für Deutsche – leistet die Kirche einer einseitigen „tyrannischen Moral“ Vorschub, die sich über das Recht erhebt – und die Menschenrechte der Opfer der Flüchtlingsvergötterung offenbar für unbeachtlich hält: Familien, Schwerbehinderte und Pflegebedürftige, die auf die Straße gesetzt werden, Gewalt-Opfer von Kopftreterbanden, Einwohner in Thüringen oder auf griechischen Inseln, die unter marodierenden Flüchtlingshorden leiden, Polizisten, die bei Straßenschlachten mit „Flüchtlingen“ ihren Kopf hinhalten, zehntausende vergewaltigte Frauen in Schweden (zweithöchste Vergewaltigungsrate der Welt!) oder im englischen Rotherham, und so weiter: Sie alle werden ausgeliefert und im Stich gelassen. Demgegenüber hält der Theologe und Philosoph Wolfram Schrems auf Kath.info fest. „Wer durch sein privates und politisches Tun dazu beiträgt, dass seine Nächsten durch die Einwanderung von Massen integrationsunwilliger Menschen, mindestens drei Viertel wehrhafte Männer, Schaden erleiden, versündigt sich schwer gegen die Nächstenliebe.“ Gerade Christen tragen gegenüber ihren Nächsten staatsbürgerliche und soziale Verantwortung!

Der große Verrat

Ein Kriegstreiber wie US-Außenminister Kerry weiß schon, warum er deklarierte, dass das „Christentum nicht mehr in unsere Zeit passt“. Die US-gesteuerte NATO richtet unter dem Banner von ´Menschenrechten und Demokratie´ überall Chaos an, fällt aber nicht dem IS militärisch in den Arm, um den Völkermord an den orientalischen Christen und die Sprengung unwiederbringlicher Kulturdenkmäler zu verhindern, sondern präsentiert der Weltbevölkerung weiterhin die Präsidenten Assad und Putin als Sündenböcke.

Letztes Wort?

Als letztes Wort wäre das das endgültige Ende von Dingen wie „Gott“, „Seele“, „Charakter“ oder „Vaterland“, die ja schon sprachlich längst eliminiert wurden. Vom durchgegenderten Geist und Idealismus des Abendlandes bleibt nur ein Abziehbild seiner früheren Kraft übrig, das Houellebecqs Prof. Francois schließlich in toto über Bord wirft, um Suizid-Phantasien zu entkommen. Für sein literarisches Geschwätz von gestern interessiert er sich nicht mehr. Den Suren des Koran nähert er sich bei abgeschaltetem Verstande, um für deren „Rhythmus und Klang des Seins“ empfänglicher zu sein. Schon der indische Guru Bhagwan („Ganz entspannt im Hier und Jetzt“) hatte spirituelle Unterwerfung als Geschäftsmodell für neurotische Weiße entdeckt.

Ein ´gutes´ Buch ist ein Buch, dass man mit Genuss auch mehrmals liest, „dessen Autor man mag, mit dem man gern seine Tage verbringt, wie Houellebecq treffend bemerkt. Bei „Unterwerfung“ packte mich allerdings schon bei pflichtgemäßer Zweit-Durchsicht ein Widerwillen; aber: Das dort ausgebreitete, in der Tat „gespenstische“ Szenario (FAZ) wird von der Realität in Siebenmeilenstiefeln eingeholt und fordert still-schreiend unbequeme Debatten heraus. Insofern ein – in den von Literaturpapst Reich-Reinitzki oft gebrauchten Worten – „wichtiges Buch“.

Michel Houellebecq: Unterwerfung. Dumont 2015. 280 S., EUR 22,90

Zum Autor: Alexander Heumann ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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