Bundesverfassungsgericht vs. EuGH: „Endspiel“

Von „Solange I und II“ bis zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank

„Der OMT-Beschluss der EZB gilt als Wendepunkt in der Schuldenkrise – allein die Ankündigung des Programms beruhigte die Märkte. Denn der Kauf von Staatsanleihen drückt die Zinslast eines Krisenstaates: Er muss weniger für Kredite ausgeben und bleibt so zahlungsfähig.“ http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/ezb-kritiker-rufen-bverfg-in-muendlicher-verhandlung-zum-einschreiten-auf

Naturgemäß mit dem Risiko behaftet, dass Zentralbanken und letztlich die Steuerzahler anderer EU-Mitgliedstaaten dafür aufzukommen haben. Mit anderer Leute Bürgschaften lässt es sich eben leichter leben, wie jedes ausgeschlafene ´Milchmädchen´ weiss. Nur ist das eben rechtswidrig, wenn diese anderen Leute da nicht auch ein Wörtchen mitzureden haben.

Nicht nur EU-Vertrags-widrig (Verstoß gegen ´No-Bail-Out´-Klausel und Verbot der Staatsfinanzierung, Art 123 AEUV), sondern auch verfassungswidrig im Hinblick auf das in Art 20 I, II, 38 GG verankerte Wahlrecht der Bürger dieser anderen Mitgliedstaaten. Wenn diese „Bürger“ nicht nach demokratischen Regeln darüber abstimmen dürfen und die von ihnen gewählten „Abgeordneten“ mehrheitlich schlafen. Bundesverfassungsgericht vs. EuGH: „Endspiel“ weiterlesen

Bundesverfassungsgericht zu ESM und OMT

Das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) ist erledigt – es lebe das OMT-Programm !

Das Bundesverfassungsgericht wird am 18.03.2014 endlich – also noch deutlich vor den Wahlen zum EU-Parlament – abschließend über ESM und Fiskalpakt entscheiden.
Hingegen hat das Gericht hinsichtlich des OMT-Beschlusses der Europäischen Zentralbank/EZB (Aufkauf wertloser Staatsanleihen von Mitgliedstaaten in unbegrenzter Höhe) dem EuGH in Luxemburg zur Vorabentscheidung die Fragen vorgelegt, ob der Beschluß der EZB

(1) nur eine „währungspolitische Maßnahme“ oder eine – der EZB verwehrte – „wirtschaftspolitische Maßnahme“ i. S. v. Art 119 II, 127 I 2 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) ist, und /oder

(2) gegen das ´Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung´ gem. Art 123 I AEUV verstößt.

Wobei das BVerfG deutlich macht, dass es beide Fragen „offensichtlich“ bejaht und somit einen ´Ultra-vires-Akt´ der EZB (= Handeln ohne zureichende Vollmacht, hier: der Mitgliedstaaten) bzw. eine „offensichtlich und strukturell bedeutsame“ Kompetenzanmaßung durch EU-Organe annimmt.
Das wird von der FAZ zurecht als „Paukenschlag“ betrachtet.

Das BVerfG möchte jedoch nicht den Bad-Cop spielen und reicht den schwarzen Peter an den EuGH weiter. Dieser soll das OMT-Programm – jedenfalls in seiner jetzigen Gestalt – zu Fall bringen.
Das BVerfG winkt mit dem Zaunpfahl und wirft dem EuGH den Rettungsanker einer „primärrechtskonformen“ einschränkenden „Auslegung“ des OMT-Beschlusses  zu: Falls der EuGH dem nachkommt, kann das BVerfG die Bundesverfassungsbeschwerden abweisen, soweit sie sich gegen den OMT-Beschluss der EZB richten; es hofft so, die Kuh vom Eis zu bekommen.
Falls aber nicht, wird das BVerfG der Verfassungsbeschwerde statt geben – was unabsehbare Konsequenzen hätte und zu erheblichen politischen Problemen führen würde. Im Grunde droht das BVerfG dem EuGH. Mangelnden Mut zu Deutschland kann man dem Gericht insoweit also – entgegen mancher Kommentatoren – hier ausnahmsweise einmal nicht vorwerfen; insoweit ist seine Entscheidung nur klug. Wie der EuGH auch immer entscheidet: Das OMT-Programm der EZB wird von dieser jedenfalls nicht wie geplant durchgeführt werden können.

Wenn der EuGH eine einschränkende Auslegung des EZB-Beschlusses ablehnt, dann geht der Kelch nicht vorrüber und das BVerfG muss entscheiden, ob es den Übergriff in die Kasse des Deutschen Steuerzahlers absegnet (was es aber aufgrund seines jetzt schon eindeutigen Votums nicht mehr kann)  oder der Verfassungsbeschwerde der Kläger stattgibt und Bundesregierung und Bundestag zum hiergegen gerichteten politischen oder juristischen Tätigwerden auffordert.

Entgegen der Auffassung von Bundesregierung und EZB und entgegen der beiden Sondervoten der abweichenden Verfassungsrichter folgert das BVerfG aus Art 38 I GG
[Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen”]
das auch subjektive Recht eines jeden wahlberechtigten Bürgers, bei qualifizierten Kompetenzanmaßungen der EU von Bundesregierung und Bundestag politisches oder juristisches Tätigwerden zu verlangen (!), was das bisherige System des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes sprengt.
M. E. muss das BVerfG das jetzt konsequenterweise auch so sehen, da es ansonsten schon 1993 das ZustimmungsG zum Vertrag von Maastricht wegen Verstoßes gegen Art 38 GG nicht hätte durchwinken dürfen.

Das geht noch mehr …

Die schlechte Nachricht – und eigentliche Pointe – ist für mich aber die: Das BVerfG weist Bundestag und Bundesregierung schon jetzt auf die Möglichkeit einer „nachträglichen“ förmlichen Übertragung von Kompetenzen an die EU „im Verfahren nach Art 23 I 2 und 3 GG“ bei gleichzeitiger „Änderung der EU-Primärverträge“ hin. Für den Fall, dass dies „politisch gewollt“ sei …

Wie bitte ? Keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Kompetenzen der EU nachträglich in Richtung OMT-Programm erweitert werden ?! Das ist für mich der eigentliche Paukenschlag: Das BVerfG beharrt einerseits mutig gegenüber der Politik auf einzuhaltende Kautelen und Formalien, verkündet aber andererseits so ganz nebenbei – wenn auch implizit -, dass da inhaltlich noch mehr geht: Noch mehr Einschränkung der Rechte des Souveräns: des Volkes, des deutschen Bürgers. Noch mehr Freiheit für EZB und EU. Noch mehr Neo-Liberalismus. Man müsse nur nochmals das Grundgesetz nachbessern, insbesondere die Kompetenzabgabenorm Art 23 GG. Insoweit sei das Grundgesetz nicht veränderungsfest.

Und wenn es wieder Verfassungsbeschwerden gegen ein Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages hagelt wie schon seit dem Vertrag von ´Maastricht´? Nun, insoweit hat das  BVerfG das Ergebnis implizit bereits vorweggenommen:  Staatsstrukturprinzipien der Verfassung (Art 20 GG) und ´Ewigkeitsgarantie´ (Art 79 III GG) stünden dem OMT-Programm der EZB schon mal nicht entgegen.  Motto: ´Macht, was Ihr wollt – aber lasst Euch nicht beim Verstoß gegen Formalien erwischen !´

Sagenhaft. Prof. Schachtschneider & Co. können sich dann die Arbeit gleich sparen. Da bleibt auch für die zu erwartende Entscheidung zu ESM und Fiskalpakt nicht viel Hoffnung, dass das BVerfG Politik auf Irrwegen zu Fall bringt.


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Entscheidung des BVerfG im Volltext:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20140114_2bvr272813.html

Pressemitteilung des BVerfG vom 07.02.2014:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-009.html

Stellungnahme der AfD: https://www.alternativefuer.de/2014/02/07/gaulandhenkel-fatales-signal-aus-karlsruhe/